Obdachlosigkeit in Hamburg – Wege aus der Wohnungslosigkeit

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Jeder der in Hamburg keine Wohnung hat und auf der Straße leben muss, hat es besonders schwer. Allein in diesem Jahr sind Berichten zufolge 22 Obdachlose in Hamburg gestorben. Über 2000 leben immer noch in Hamburg auf der Straße, 45.000 sind es in ganz Deutschland. Die Schicksale und Beweggründe sind bei ihnen vielfältig. Wer aus der Wohnungslosigkeit herauskommen möchte, muss meist große Hürden überwinden und viele Baustellen gleichzeitig angehen. Dabei muss man zwischen wohnungslos und obdachlos unterscheiden. Wohnungslose Personen haben keinen festen, vertraglichen Wohnsitz und leben meist in Heimen, Notunterkünften, Asylen oder Frauenhäusern. Vielleicht sogar bei Bekannten oder Freunden. Obdachlose leben auf der Straße. Sie übernachten in Parks, Fußgängerzonen oder U-Bahnstationen. 

Welche Unterstützung bietet der Staat und die Stadt Hamburg wohnungslosen Bürgern? 

In der Theorie haben wohnungslose und obdachlose Menschen in Hamburg die gleichen Ansprüche auf Unterstützung wie andere Menschen auch. Sie können Arbeitslosengeld beziehen oder sofern sie erwerbsfähig sind auch Hartz IV. Sollten sie nicht in der Lage sein zu arbeiten, haben sie einen Anspruch auf Sozialhilfe. Praktisch gesehen, müssen sie dafür natürlich Anträge besorgen, diese ausfüllen und an der richtigen Stelle einreichen. 

Arbeitslosengeld / Hartz IV bekommen, wenn man keinen festen Wohnsitz hat

Obdachlose und Wohnungslose haben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II beziehungsweise Hartz IV. Um dies ausgezahlt zu bekommen, muss man in der Regel einen festen Wohnsitz angeben. Allerdings bietet die Stadt Hamburg auch obdachlosen Personen die Unterstützung durch Hartz IV. Der Betrag kann in Tages- oder Wochensätzen ausgezahlt werden. Das Geld kann über Tagesstätten oder Beratungsstellen ausgezahlt werden. 

Einer Studie der Hinz&Kunzt von 2018 hat ergeben, dass über 50% der Befragten Obdachlosen kein Sozialgeld oder Harz IV beziehen und sich nicht im Klaren sind, dass sie einen Anspruch auf diese Hilfe haben. Ist es an dieser Stelle nicht Aufgabe der Stadt, Anträge und Formalitäten transparenter zu gestalten und auch aktiver Betroffene zu informieren? 

Wer sein Geld nicht vom Staat bezieht, geht Flaschen sammeln, betteln, geht zwielichtige Jobverhältnisse ein oder entscheidet sich für Prostitution. Gerade Obdachlose, die nicht aus Deutschland stammen und die Sprache nicht verstehen, wissen sich nicht anders zu behelfen.

Obdachlose in Hamburg
Viele Obdachlose betteln. Dabei ist ihnen oft nicht bewusst, dass sie vielleicht einen Anspruch auf Sozialhilfe besitzen. © Unsplash, Ev

Sozialgeld

Zusätzlich bietet die Stadt jeder Person, die ein Anspruch darauf hat, die Unterstützung durch Sozialhilfe. Unabhängig, ob man einen Wohnsitz hat oder nicht. Gerade für Personen, die aufgrund von Krankheiten oder anderen Gründen nicht arbeiten können, ist dies eine Hilfe. Alle Personen über 65 Jahre haben ebenfalls einen Anspruch auf Rente und Sozialhilfe. 

Seit 2006 gibt es in Deutschland das Recht auf ein Bankkonto. Viele Obdachlose Personen besitzen auch eines. Dies erleichtert das Auszahlen von Hilfeleistungen wie Sozialgeld oder Hartz IV enorm.

Auch Personen ohne Deutsche Staatsbürgerschaft können in Deutschland Sozialleistungen erhalten. Dafür müssen sie in Deutschland gearbeitet haben. Ansonsten muss geklärt werden, inwieweit das Heimatland für eine Sozialhilfe und Rente zuständig ist.

Krankenkassen 

Obdachlose haben einen Anspruch auf medizinische Versorgung. Sie können in denselben klinischen Einrichtungen Hilfe erhalten wie andere auch. Für die Versorgung benötigt es keinen festen Wohnsitz. Wer in Hamburg nicht mehr bei einer Krankenkasse versichert ist, erhält in Notfällen dennoch Hilfe.

Welche Möglichkeiten gibt es, aus der Wohnungslosigkeit wieder herauszukommen? 

Erste Anlaufstelle, um eine Wohnungslosigkeit zu überstehen, sind die ambulanten Beratungsstellen in Hamburg. Die Hilfe ist im Sozialgesetzbuch XII festgelegt. Zu den Leistungen der Beratungsstellen gehören zum Beispiel: 

  • Persönliche Betreuung
  • Beratung
  • Hilfe bei der Beschaffung und dem Erhalt einer Wohnung
  • Unterstützung beim Einstieg ins Arbeitsleben oder bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz

Mit der richtigen Beratung und Hilfe können die oft unverständlichen Anträge eingereicht werden. Auch werden hier Themen wie Sucht und Krankheit besprochen. Wer aus der Obdachlosigkeit heraus möchte, hat meist viele Baustellen, die dieses erschweren. Sie helfen ebenfalls dabei, eine Krankenversicherung abzuschließen oder medizinische Versorgung zu erhalten. Hier findet auch die Vermittlung in eine Notunterkunft und schließlich ein Wohnheim oder betreutes Wohnen statt. 

Allerdings muss der erste Schritt meist von den Betroffenen selbst gefasst werden. Viele Obdach- und Wohnungslose haben aufgrund ihrer Erfahrungen den Glauben ins System verloren, kämpfen mit Depressionen und Ängsten.

Wer nicht zu einer Beratungsstelle geht, kann in Hamburg auch Hilfe durch die Bezirksämter erhalten. Diese vermitteln einen oft in Hostels für die erste Unterbringung. Mit einem Antrag auf Hartz IV im Jobcenter kann dann der erste gute Schritt in die richtige Richtung getan werden. 

Notunterkünfte

Hamburg hat 100 Notunterkünfte mit knapp 23.000 Plätzen zur Verfügung. Die Sozialbehörde Hamburgs eröffnete 2021 eine neue Notunterkunft mit 35 Einzelzimmern. 2022 kamen weitere dazu, ebenso wie Unterkünfte speziell für psychisch Kranke.

Für viele Obdachlose ist eine Unterbringung in einer Notunterkunft mit vielen Hürden verbunden. In Mehrbettzimmern besitzt man kaum Privatsphäre und hat die Angst, beklaut zu werden. Außerdem muss man sich an bestimmte Hausregeln halten, welche für einige Personen nicht leicht umzusetzen sind. Man kann nicht entscheiden, mit wem man sein Zimmer teilen muss, was zu großer emotionaler Belastung führen kann. Daher vermeiden viele Obdachlose eine Unterbringung in einer Notunterkunft.

Hier ist es notwenig, dass mehr Wohnraum mit Einzelzimmern geschaffen wird, um solchen Problemen und Ängsten vorzubeugen.

Wohnheime

Wer einen Platz in einem Wohnheim oder einem betreuten Wohnen erhalten hat, kann sich anderen Problemen widmen. Wohnungslose können einen Reha-Platz beantragen und bei Krankheit und Sucht Hilfe bekommen. 

Als große Schwierigkeit zu betrachten ist hier die Anzahl an bezahlbaren Wohnraum in Hamburg. Die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat sich zum Ziel gesetzt, Obdach- und Wohnungslosigkeit bis zum Jahr 2030 zu überwinden. Dafür wird ein neuer Aktionsplan entwickelt, der vor allem auf Housing First basiert. 

Damit ist gemeint, dass Hilfebedürftige zuallererst eine eigene Wohnung erhalten. Alle weiten Probleme wie Suchtbekämpfung und Jobsuche können dann in einem konstanten Umfeld angegangen und überwunden werden. 

Hilfseinrichtungen und ihre Angebote für Obdachlose

Wer beim Thema Obdachlosigkeit genau hinschaut, wird sich gehörig wundern: Trotz steigender Mittel steigt die Anzahl an Obdachlosen weiter rasant an. Und schnell wird klar: Dieses Problem kann der Staat nicht allein stemmen, wir alle sind gefragt. 

Eine der zahlreichen Maßnahmen, wie zum Beispiel das Wohnungsbauprogramm des Senats in Hamburg „Bündnis für das Wohnen“, dessen zentrales Ziel es ist, dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum in Hamburg zu schaffen und den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten, scheint einige Probleme im Bereich zu lösen. Doch die eingeführten Maßnahmen reichen leider nicht aus: Die Zahl der obdachlos auf der Straße lebenden Menschen ist zwischen 2009 und 2018 um 86% auf 1.910 Personen gestiegen. Die Zahl der öffentlich-rechtlich untergebrachten wohnungslosen Personen ist von 2009 bis 2021 um 72,7% auf nun 5.051 Personen gestiegen. Hinzu kommen 12.393 wohnberechtigte Zugewanderte in Flüchtlingsunterkünften, die ebenfalls dringend eine Wohnung benötigen. Außerdem ist von bis zu 5.000 weiteren verdeckt wohnungslosen Menschen auszugehen. Die ohnehin schwierige Lage wird zusätzlich durch den Krieg in der Ukraine verschärft: Die Zahl der jüngst wegen des Ukrainekriegs geflüchteten Menschen, die in Hamburg mittelfristig mit einer Wohnung versorgt werden müssen, liegt bei rund 5.800 bisher vollständig registrierten Geflüchteten. Man kann aber davon ausgehen, dass die Zahl in absehbarer Zeit immer größer wird. 

Die Anzahl verfügbarer Wohnungen in Hamburg hält nicht Schritt mit der Zahl der Haushalte: Trotz des Wohnungsbauprogramms des Senats hat die Zahl der für die hamburgischen Haushalte zur Verfügung stehenden Wohnungen zwischen 2011 und 2020 um 5.760 Wohneinheiten abgenommen. Hinzu kommen die steigenden Mieten, die das Mietwohnungsangebot für einkommensschwache Haushalte weiterhin verknappen. 

Obwohl Wohnungs- und Obdachlosigkeitsbekämpfung auf der politischen Agenda präsent ist, ist die Zahl der wohnungslosen Obwohl Wohnungs- und Obdachlosigkeitsbekämpfung auf der politischen Agenda präsent ist, ist die Zahl der wohnungslosen Menschen in den vergangenen Jahren sehr stark angestiegen und steigt weiter an. Genau aus diesem Grund, ist die Existenz zivilgesellschaftlicher und kirchlicher Initiativen, wie zum Beispiel das CaFée mit Herz oder die Diakonie, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Betroffenen zu helfen, nach wie vor äußerst wichtig. Ein großer Vorteil solcher Organisationen, gleichzeitig auch der Hauptunterschied zu staatlichen Behörden, ist die Nähe zu den Betroffenen: Genau dort wird das theoretische Gerüst in der Praxis geprüft, die schwachen Stellen zahlreicher Programme entdeckt und ein direkter Dialog geschaffen.

In der folgenden Grafik wird die Anzahl verfügbarer Angebote der Einrichtungen der Hamburger Obdach- und Wohnungslosenhilfe dargestellt:

Oberste Priorität bei der Bekämpfung der Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit hat die Prävention. Diese erfolgt, indem Hilfesuchende Eine der unterschätzten Faktoren bei der Bekämpfung der Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit ist die Prävention. Diese erfolgt, indem Hilfesuchende persönlich bzw. telefonisch beraten und unterstützt werden. Dafür stehen sieben in Hamburg verteilte Beratungsstellen zur Verfügung. Wenn es für die Prävention bereits zu spät ist, können sich Betroffene an weitere Beratungsstellen wenden. Diese bedienen jeweils unterschiedliche Zielgruppen: Projekt UWE unterstützt zum Beispiel wohnungslose junge Erwachsene. FrauenZimmer ist eine Anlaufstelle für Frauen. Besondere Umstände wie die bei straffällig gewordenen oder haftentlassenen Menschen werden ebenfalls berücksichtigt: Für solche Personen ist Projekt Trotzdem eine gute Anlaufstelle.

Abgesehen von der Beratung gibt es selbstverständlich einen großen Bedarf an praktischer Unterstützung: Essensausgabe, Dusch- und Toilettenangebot, Kleidungsausgabe, Übernachtungsangebot, ärztliche Versorgung etc. Eine der größten Hilfsorganisationen mit  rAbgesehen von der Beratung gibt es selbstverständlich einen großen Bedarf an praktischer Unterstützung: Essensausgabe, Dusch- und Toilettenangebot, Kleidungsausgabe, Übernachtungsangebot, ärztliche Versorgung etc. Eine der größten Hilfsorganisationen mit rund 600.000 hauptamtlich Mitarbeitenden in Voll- und in Teilzeit in ca. 5.000 diakonischen Unternehmen ist die Diakonie Deutschland. Der Verband ist in unterschiedlichen Hilfefeldern tätig: Zur Diakonie gehören etwa 33.000 stationäre und ambulante Dienste wie Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Sozialstationen, Wohngruppen oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Angebote für Suchtkranke und Obdachlose oder Beratungsstellen.

Das CaFée mit Herz ist wiederrum eine zivilgesellschaftliche Initiative, die sich ausschließlich auf obdach- und wohnungslosen Menschen spezialisiert. Diese Sozialeinrichtung ist besonders nennenswert, weil sie weder staatlich noch von kirchlicher Seite, sondern ausschließlich durch Spenden unterstützt wird. Neben den wichtigsten alltäglichen Angeboten, wie Essens- und Kleidungsausgabe, Dusch- und Toilettenangebot und ärztliche Vorsorge wird auch persönliche Betreuung angeboten, bei der es darum geht, sich individuell auf eine der betroffenen Personen zu fokussieren, und diese auf ihrem eigenen Weg aus der Obdachlosigkeit zu unterstützen.

Jede Hilfe zählt

Heutzutage ist es für diejenigen, die mit Armut kaum in Berührung kommen, leicht geworden, sich hinter dem Staat zu verstecken, besonders in einem Sozialstaat wie Deutschland: Es werden neue Projekte angestoßen, neue Fördergelder rausgegeben und soziale Arbeitskräfte angestellt. Trotzdem muss man sich der Tatsache stellen, dass sich die Zahl obdachlos auf der Straße lebender Menschen im Zeitraum von sieben Jahren nahezu verdoppelt hat. Auch die essentielle Rolle, die Organisationen spielen, deren Existenz direkt von Spenden einzelner Personen abhängt, gerät schnell in Vergessenheit. Obdachlosigkeit ist immer noch ein gesellschaftliches, und nicht nur staatliches Problem. Jede Hilfe zählt.

Beitragsbild: Unsplash, EV